Der vormalige Papst Benedikt XVI, der das Böse nachhaltig bekämpfen wollte, hatte eine böse Ahnung. Daß es da einen Dualismus gab: Gutes und Böses eine einzige Entität. Die sogenannte Theodizee (nach Leibniz) – das Paradoxon, daß ein angeblich gütiger Gott das Böse dulde, war verstandesmäßig nicht zu packen. Der Papst hätte von den Physikern lernen können: Sie haben sich Jahrhunderte lang mit dem Welle-Teilchen-Dualismus des Lichts die Köpfe heiß geredet. Die unserer Anschauung entspringende Perspektive des Entweder-Oder ist falsch. Licht ist etwas ganz Neues. Wie die Entität des Lichts, so ist die Theodizee ebenso wenig anschaulich. Man muß sich mit der notwendigen Existenz des Bösen gedanklich arrangieren. Hier eine biblische Erinnerung: Das Buch Hiob beginnt mit einer Art Wette zwischen Gott und dem Teufel – die Urschrift des Faustmotivs. Wäre eine Schöpfung ohne das dualistische Prinzip, und damit ohne dem Gut+Böse-Tandem, überhaupt funktionsfähig? Vielleicht steckt in jenem Antagonismus ja der Antrieb zur Evolution, also auch zum willkommenen kulturellen, technischen Fortschritt? Eine unablässig kräuselnde Bewegung in einem transzendenten All, die die Ausbildung stabiler Gleichgewichte verhindert. Will man sich die zwiefache Entität nun doch vorstellen, sei als Modell das Möbius'sche Band empfohlen: Man klebe die beiden Enden eines Streifen Papiers verkehrt herum (also um 180° versetzt) zusammen. Dann ziehe man mit einem Bleistift einen Mittelstrich über die gesamte Länge des Papierstreifens. Tatsächlich, das vertrackte Band hat zwei Seiten, aber nur eine Oberfläche. Die Theodizee läßt sich nicht verstehen, aber doch zeichnen. Auch das Möbius'sche Band läßt sich kaum erklären. Man muß es probieren. Ein guter Rat noch: Man muß nicht alles auf Anhieb gleich verstehen. Man kann sich erst einmal daran gewöhnen.