Es befremdet, wenn zuweilen Philosophen in ihren Schriften mit Grundbegriffen sorglos umgehen. Da fehlt die klare Definition, oder es wird ein einziger Ausdruck für verschiedene Bedeutungen gebraucht, auch werden überflüssig neue geschaffen. Gut gemeint als Präzisierung, wird dennoch mehr Verwirrung als Verständnis geschaffen. Davon ist selbst die Ontologie betroffen. Hier geht es schließlich um die Grundlagen des Seins, den Ursprung des philosophischen Nachdenkens. Als Beispiel für Unschärfe sei eine Formulierung des Frankfurter Philosophen Habermas zitiert (cit. aus Spektrum der Wissenschaft, 2015 / Vernunft und Glaube von Chr. Tapp): …daß Wissenschaftler für ihre Prämissen Gewißheit beanspruchen müssen und damit auf einen Akt der Anerkennung oder des Glaubens angewiesen sind. Was damit gemeint ist – und Habermas hat offenbar die exakten Naturwissenschaften im Blick: Die Voraussetzung allen wissenschaftlichen Arbeitens sind axiomatische Annahmen. Wir wissen von den Axiomen der Euklidischen Geometrie, z. B. die Winkelsumme in einem ebenen (!) Dreieck ist 180 °. Oder in der Thermodynamik (in der Physik spricht man von Postulaten) die drei Hauptsätze für abgeschlossene Systeme: Energie kann weder gewonnen werden noch verloren gehen (1). Freiwillige Prozesse verlaufen stets in Richtung vom höheren zum niedrigeren Energieniveau. Für diesen Entropiesatz gilt auch eine andere Formulierung: Jeder freiwillige Prozeß strebt den Zustand größtmöglicher Unordnung an (zum Beispiel in meiner Wohnung) (2). Und schließlich: Der absolute Nullpunkt der Temperatur kann nicht unterschritten werden (3). Axiome bzw. Postulate sind a priori unbeweisbar.
Der Wissenschaftler vertraut in die Zuverlässigkeit seiner Beobachtung, daß axiomatische Phänomene Bestand haben. Das muß nicht für alle Zeiten gelten – etwa wenn das Bezugsystem fehlerhaft eingeschätzt wurde. Die Euklidische Geometrie, beispielsweise, gilt nicht auf einer Kugeloberfläche. Seitdem das Mysterium der Dunklen Masse im All spukt, hat auch der Energiesatz nicht mehr das unbedingte Vertrauen der Kosmologen. Wir sprechen also von Vertrauen auf Bewährung, Habermas von Glauben. Das ist schon ein essentieller Unterschied.