Philosophie ist überall. Es ist keine Domäne von spezialisierten Gelehrten, es ist im strengen Sinne gar keine Wissenschaft an sich. Sie läßt sich definieren als die Mutter aller Wissenschaften, Technik und Künste. Und das war von Anfang an so. Das Abenteuer der Philosophie beginnt mit den Vorsokratikern, ihre erste herausragende Gestalt ist Thales von Milet (624-547), von Hause aus Mathematiker. Es folgt eine Meisterklasse früher Denker, darunter Pythagoras (582-469) – er lehrt, die Erde sei eine Kugel – oder Aristarch von Samos (310-250), der die Sonne – nicht die Erde - in das Zentrum unseres Planetensystems rückt. Das war 18 Jahrhunderte vor Kopernikus. Die umfangreichen Lehren des Platon (427-347) und des Aristoteles (384-322) bilden den Höhepunkt der klassischen Philosophie. In deren Zirkeln und Schulen wird nicht nur über das Universum spekuliert, sondern auch – zu unser aller Nutzen – formales, philosophisches Denken gelehrt, siehe die aristotelische Logik. Über Aristoteles sind wir fast lückenlos unterrichtet, dank islamischer Gelehrter, die seine Werke ins Arabische übersetzen und so vor dem Vergessen bewahren.
Mit den Vorsokratikern nimmt die abendländische Kultur ihren Anfang. Sie entwickeln ein Lehrgebäude der Mathematik, wie wir es bei den Altkulturen Ägyptens, Mesopotamiens, Kretas vermissen. Die wissen-schaftlich-technischen Früchte reifen in Alexandria. Hier experimentiert man, abstrahiert mathematische Lehrsätze, konstruiert großtechnische Anlagen – wie etwa den berühmten Leuchtturm, der zu den Weltwundern zählt. Und noch etwas: In Alexandria gibt es eine riesige Bibliothek mit Standardwerken aus aller Welt. Ihr Direktor ist Eratosthenes von Kyrene (276-194). Ihm gelingt die Bestimmung des Erdumfangs aus astronomischen Messungen mit einer verblüffenden Genauigkeit: 41750 km (heutiger Wert: 40075 km).
Archimedes von Syrakus (287-212) ist ein Genie unter den Wissenschaftlern, der zugleich technische Strategien verfolgt (zum Schrecken der Römer, als sie Syracus belagern). Er berechnet unter anderem den Auftrieb eines schwimmenden Körpers in Wasser, und er findet die Hebelgesetze. Diese historisch bedeutsame Befruchtung von Technik durch die Naturwissenschaften findet mit Archimedes' Tod ein jähes Ende. Er wird versehentlich von einem römischen Soldaten getötet, als er – so die Legende – über geometrischen Kurven, in den Sand gezeichnet, grübelt. In endlosen, folgenden Jahrhunderten rührt sich kein Fortschritt. Technik beschränkt sich auf überliefertes Handwerk, zuweilen mit großer Meisterschaft. So ist Michelangelos Peterskuppel ohne Mathematik gebaut. Nachrechnung erweist, es ist eine optimale bautechnische Leistung. Wissenschaft und Technik finden erst wieder mit Galilei zueinander.